Wut. Zorn und aus der Haut fahren – was dir diese Gefühle sagen
Neulich im Berufsverkehr saß ich wie jeden Morgen in der U-Bahn. Und wie es oft in Berlin passiert, hielt die Bahn plötzlich an einer Station länger als erwartet und fuhr einfach nicht weiter. Wir warteten. Nach ein paar Minuten ertönte der erste Stöhner einer Sitznachbarin, um ihren inneren Unmut kund zu tun. Nachdem dies aber nichts an der Situation änderte, fing sie an zu sprechen und dem Abteil mitzuteilen, wie nervig sie diese Situation finde. Endlich sprach der Fahrer ins Mikrofon und bat um Geduld. Eine Signalstörung hindere den Zug am Weiterfahren. Sichtlich genervt nahm sie nun das Telefon aus der Tasche, um in der Arbeit anzurufen. Dort teilte sie in verachtendem Ton mit, dass die Bahn sie aufhalte und sie noch nicht wisse, wann sie ankomme. Als es immer noch nicht weiter ging und der Bahnfahrer ein weiteres mal um Geduld bat, sprach sie immaginär den Lautsprecher an, um zu fragen, wie lange es denn wohl noch dauere. Und auch als es nach einigen Minuten dann doch endlich weiter ging, hatte sie noch das Bedürfnis, ihrem Ärger Luft zu machen und grummelte weiter vor sich hin.
Ich persönlich kenne das nur zu gut. Wenn mich jede Kleinigkeit, die schief geht, zur Weißglut bringt und in einem lauten Schrei oder Fluch endet. Das ist unangenehm für die Menschen, die gerade um mich sind. Aber es ist vor allem mir selbst sehr unangenehm, weil es mich von einer Seite zeigt, die ich über alles selbst verurteile. Das führt dazu, dass ich zusätzlich zu meiner Wut und meinem Zorn auch noch sauer auf mich selbst bin. Ein Kreis, der nicht so leicht zu durchbrechen ist.
Und gerade weil solche Situationen sehr unangenehm für alle sind, war ich neugierig, was dahinter steckt. Ich fing an, mich selbst zu beobachten. Und es fiel mir auf, dass es Tage gab, an denen ich mich über bestimmte Dinge höllisch aufregen konnte und Tage, an denen ich darüber schmunzeln musste. Mir wurde klar, dass also nicht die Situation selbst für den Wutausbruch verantwortlich sein konnte.
Also versuchte ich ein Muster zu erkennen, wann ich mich aufregte und wann ich eher gelassen mit Missgeschicken umgehen konnte. Und mir wurde klar, dass es etwas mit mir zu tun haben musste. Mit meiner inneren Ausgeglichenheit oder „in meiner Mitte sein“.
Was bedeutet nun „innere Ausgeglichenkeit“ oder „Mitte“ eigentlich? Ich stand vor der nächsten Frage. Nun musste ich tiefer graben. Denn in meiner Coachingausbildung lernte ich, dass hinter unangenehmen Gefühlen wie Wut und Zorn, unerfüllte Bedürfnisse stecken. Sofern man sich klar darüber ist, was EIGENTLICH das Problem ist, bedeutet das auch, dass man sich selbst aktiv aus der Situation und dem Gefühl herausholen kann! Kein U-Bahnfahrer ist dann mehr Schuld an meinem Gefühl und ich muss nicht mehr wütend auf ihn sein. Ich muss nicht mehr die Schwerkraft veruteilen, weil mir wieder etwas herunter gefallen ist und ich muss auch nicht mehr böse sein, wenn wieder mal der Müll nicht geleert oder die Spülmaschine nicht ausgeräumt wurde. Allerdings ist die Schwirigkeit die, dass das unerfüllte Bedürfnis nicht immer das selbe sein muss. Auch wenn es immer wieder die selbe Situation sein kann, über die ich mich aufrege! Kompliziert diese Geschichte!
Aber zum Glück gibt es eine Lösung. Denn grundsätzlich gibt es keine unendliche Möglickeit an Bedürfnissen. Denn in der Regel haben wir nach Maslow alle die selben Bedürfnisse. Und die fangen ganz einfach an. Es sind erstmal die Bedürfnisse, die wir zum Überleben brauchen. Also Luft, Essen, Trinken. Auch Physiologische Grundbedürfnisse genannt. Sobald diese erfüllt sind, geht es um das Bedürfnis der Sicherheit und Geborgenheit, also zum Beispiel ein Dach über dem Kopf (Sicherheitsbedürfnisse). Danach kommen soziale Bedürfnisse wie Familie, Freundschaft, Zugehörigkeit, Gemeinschaft. Auch Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse genannt.
Und erst dann wünscht sich der Mensch die Erfüllung seines Bedürfnisses nach Wertschätzung und Anerkennung. Erst wenn all diese Bedürfnisse erfüllt sind, ist der Mensch laut Maslow dazu in der Lage sich selbst zu verwirklichen. Und das ist dann auch das hierarchisch letzte Bedürfniss des Menschen.
Jeder kann sich täglich mit seinen Bedürfnissen auseinander setzen. Wut, Zorn und das „aus der Haut fahren“ sind nur deutliche Hinweise darauf, dass wir über eines unserer Bedürfnisse hinweggegangen sind. Und Freude und „glücklich sein“ bedeutet wahrscheinlich, dass die meisten unserer Bedürfnisse erfüllt sind.
Der erste Schritt ist, sich darüber klar zu werden, welche Gefühle man gerade hat. Auch Achtsamkeit genannt. Dafür beobachtet man sich am besten in den unterschiedlichsten Situationen.
Der zweite Schritt ist dann zu reflektieren, welches unerfüllte Bedürfnis dahinter steckt.
Wenn das klar ist, kannst du anfangen zu handeln. Und zwar, indem du entweder klar mitteilst, was du brauchst. Oder dir dein Bedürfnis selbst erfüllst.
Weil man sich selbst aber eher schlecht „neutral“ beobachten kann, ist das Ganze natürlich nicht ganz so einfach. Eine aussenstehende Person kann dabei helfen, neue Impulse zu geben. Vielleicht kann ich dich dabei unterstützen?